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EBSW – Wort auf den Weg 3/2024

„Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

So beginnt ein Weihnachtsgedicht von Johann Scheffler („Angelus Silesius“, 1624-1677). Die Bedeutung von Weihnachten geht freilich weit über mich und mein Inneres hinaus, denn in Bethlehem wurde der Heiland der Welt geboren, nicht nur meiner.

Aber der Engel brachte die frohe Botschaft den Hirten persönlich: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Und so darf auch ich sie hören: „Er ist für dich geboren“ und soll sogar „in mir“ geboren werden. Nur, wie kann das geschehen?

Im Lukasevangelium wird ja weiter erzählt, dass die Hirten sofort aufgebrochen sind, um das neugeborene Kind zu sehen. Und sie haben weitererzählt, was sie von dem Engel über dieses Kind erfahren hatten. Auch Maria hat das gehört. Und sie „behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“ (Lukas 2,19).

Das ist für mich ein Hinweis: So könnte der Christus, das Mensch gewordene Wort Gottes, auch in mir geboren werden; indem ich nämlich einzelne (Bibel-)worte auswendig behalte und sie inwendig, in meinem Herzen, bewege. Man kann das „Meditieren“ nennen.

Manche früheren Mystiker haben einen Vergleich aus der Tierwelt gebraucht und von „Ruminieren“ gesprochen. Das ist das lateinische Wort für „Wiederkäuen“. Also gleichsam auf einem Wort oder Satz herumkauen, es dann ruhen lassen, um es wieder heraufzuholen und es weiter zu bewegen. Bei einer Kuh ist das Gras dann irgendwann verdaut und Teil ihres Körpers geworden. Ähnlich soll das also in mir mit Gottesworten geschehen. Ob dieser Verdauungsprozess jemals abgeschlossen sein wird, ist die Frage. Auf jeden Fall aber kann durch das Wiederkäuen ein Wort immer mehr Teil von mir werden und so Neues in mir geboren werden, wachsen und mein Denken und Handeln bestimmen.

Es mag sein, dass mir im Lauf eines Tages die Losung einfällt, die ich am Morgen gelesen habe, etwa beim Kochen, einer Zugfahrt oder einem Spaziergang; ich sage sie dann mehrmals innerlich auf oder murmle sie leise vor mich hin.

Alle, die evangelisch aufgewachsen und konfirmiert worden sind, haben einen Denkspruch bekommen, der als Lebensbegleiter gemeint war. Schon manche haben mir gesagt: Ich konnte nicht viel mit diesem Spruch anfangen. Er ist sozusagen „unverdaulich“ gewesen. So wie auch manche Situationen in meinem Leben unverdaulich sind. Ich verstehe sie nicht und werde nicht mit ihnen fertig.

Es gibt andererseits aber auch die Erfahrung, dass jemand im Lauf der Zeit sagen kann: Gerade das, woran ich heftig zu kauen und zu schlucken hatte, hat mich wachsen lassen. So kann´s auch mit manchen Bibelworten passieren, die mir zuerst nichts zu sagen hatten: Sie sind mir zu einer festen und stärkenden Nahrung geworden – vielleicht gerade in der Wechselwirkung mit schwierigen Lebenssituationen.

Und umgekehrt: Bei „schönen“ und eingängigen Worten, die scheinbar runterlaufen wie Honig, kann ich noch andere Geschmacksnoten und tiefere Schichten entdecken, wenn nicht so „Schönes“ mein Leben bewegt oder es gar durchschüttelt. Zu den „grünen Auen“ und dem „frischen Wasser“ gehört im 23. Psalm eben auch das „finstere Tal“, und ich habe manchmal lange rumzubeißen, bis ich bekennen kann: Auch da, gerade da, „bist du, Gott, bei mir.“

Es ist wie beim Essen: Es schnell und nebenbei runterzuschlingen, um sich dann fast gleichzeitig bereits etwas Anderem zuzuwenden, das kann uns nicht wirklich nähren. Oder wie bei einer Geburt: Sie passiert nicht plötzlich, sondern hat einen langen Vorlauf, eine Zeit, in der die Eltern sich voller Erwartung, mit Hoffen und auch Bangen, auf das neu entstehende Leben vorbereiten.

So auch, wenn Christus in mir geboren werden soll und es damit, abseits von aller äußeren Geschäftigkeit, für mich Weihnachten wird. So auch, wenn ich Gottes Wort „ruminiere“, damit es in meinem Leben Gestalt annimmt.

Probieren Sie es vielleicht mal wieder mit Ihrem Konfirmationsspruch? Oder mit der Jahreslosung für 2025? „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,21)!

Oft werden wir dazu verleitet, sofort zu urteilen: Das ist gut, das schlecht; Daumen rauf oder runter; dies schmeckt mir, jenes nicht! Der Rat des Paulus weist in eine andere Richtung, denn Prüfen erfordert Sorgfalt und Zeit.

Für die Weihnachtszeit und das neue Jahr wünsche ich Ihnen Worte und Erfahrungen, die weiter tragen als all das Kurzfristige und Vergängliche, das uns bestimmen will!

Ihr Pfarrer i.R. Georg List

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